Demenz

Demenz, MEDIZIN(1)
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Demenz:
Pflege und Betreuung
kompakt
Ihre kompetente Unterstützung für den
richtigen Umgang mit Demenzkranken
Ausgabe Januar 2009
G73063
Osteuropäische Helfer
sind Angestellte
Demenz
versus
Depression
Bestimmt pflegen und betreuen auch
Sie demenzkranke Menschen, die zu-
sätzlich von einer osteuropäischen
Haushaltshilfe betreut werden.
en. Das Urteil ist ein Präzedenzfall,
dem bundesweite Bedeutung zu-
kommen dürfte.
Liebe Leserin,
lieber Leser,
fällt es auch Ihnen schwer, eine De-
pression und eine Demenz vonein-
ander zu unterscheiden? Das ist kein
Wunder, denn viele Demenzkranke
zeigen als Begleitsymptom
depres-
sive Verstimmungen. Umgekehrt ist
bei schwer depressiven Patienten
häufig die geistige Leistungsfähigkeit
herabgesetzt und es kommt zu Leis-
tungseinbußen und Störungen des
Denkens und der Sprache. Letzteres
Phänomen ist unter dem Begriff
„Pseudodemenz“ bekannt. Das be-
deutet, dass der Patient aufgrund
seiner depressiven Zustände unter
schweren neuropsychologischen
Einbußen
leidet und eine sekundäre
Demenz durch depressive Stim-
mungslagen verursacht werden
kann. Damit Sie die Unterschiede
erkennen und in Ihrem täglichen
Pflegealltag berücksichtigen können,
erfahren Sie auf den Seiten 2 und 3
in dieser Ausgabe mehr zum Thema
„Demenz und Depression“.
Schätzungen zufolge kümmern sich
derzeit bis zu 150.000 Frauen aus
Osteuropa in deutschen Privathaus-
halten um Pflegebedürftige – formal
entweder als „entsandte“ Angestell-
te einer ausländischen Firma oder
gleich als angeblich selbstständige
Haushaltshilfen. Letztere standen für
die Behörden bisher schon unter dem
Generalverdacht der Scheinselbst-
ständigkeit. Nun hat das Amtsgericht
München in der rechtlichen Grauzo-
ne Klartext gesprochen.
Dann sollten Sie die Angehörigen der
Demenzkranken darauf hinweisen,
dass die Beschäftigung von osteuro-
päischen Haushaltshilfen für viele Be-
dürftige schwerwiegende Folgen ha-
ben könnte, wenn sie diese nämlich
als selbstständige Haushaltshilfe be-
schäftigen.
Denn nach einem aktuellen Urteil des
Amtsgerichts München ist es illegal,
osteuropäische Pflegekräfte im Haus-
halt
als Selbstständige
zu beschäfti-
gen, da diese laut Gericht de facto
abhängig tätig, also
Angestellte des
Haushalts
sind.

Das Team von
„Demenz: Pflege
und Betreuung
kompakt“
wünscht
Ihnen ein
schönes
Weihnachtsfest
Die Richter sind der Ansicht, das von
selbstständiger Beschäftigung keine
Rede sein kann, da es sich um Ange-
stellte des jeweiligen Haushalts han-
delt, die dann auch
direkt den Wei-
sungen ihres Kunden unterstellt
sei-
Inhalt:
Mit den besten Wünschen
Pflege & Medizin:
Depressionen führen häufig zu einer Pseudodemenz . . . . . . . . . Seite 2
Ihre
Betreuung & Aktivierung bei verändertem Verhalten:
Realitätsorientierungstraining – Rettung aus
der Orientierungslosigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 4
Annett Urban und Swen Staack
Chefredakteure „Demenz: Pflege
und Betreuung kompakt“
Tipp des Monats:
Winterzeit – schöne Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 6
Angehörigenarbeit & Selbstpflege:
Emotionen und Gefühle in der Betreuung: Notwendig, aber
auch gefährlich! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 6
Besuchen Sie uns im Internet unter:
www.pflege-management.de
Ihr aktuelles Passwort für den
Exklusivbereich für Abonnenten:
Angehoerige (gültig bis 27.01.09)
Alles, was Recht ist:
Fixierung: Im Akutfall erlaubt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 8
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Januar 2009
Seite 1
 Pflege & Medizin
Depressionen führen häufig zu einer
Pseudodemenz
Depression mit dementiellen
Symptomen
Wussten Sie, dass viele der über
60-Jährigen an behandlungsbedürf-
tigen Depressionen leiden? Dann
sollten Sie wissen, dass Depressionen
im Alter dringend behandelt werden
sollten, denn sie
führen zu
Betroffene auch unter einer Pseudo-
demenz leiden kann.
Bei einer Pseudodemenz treten häu-
fig kognitive Störungen, Konzentra-
tionsstörungen und Denkblockaden
auf, und es ist keine Seltenheit, dass
depressive Senioren die
Symptome
einer schweren Demenz zeigen.
Häufig leiden depressive Patienten
auch unter folgenden
körperlichen
Einschränkungen:
erheblichen Einschränkungen
in
den Funktionen des täglichen Le-
bens,
Appetitlosigkeit,


Schlafstörungen,

verschlechtern erheblich die Ge-
fahr zukünftiger körperlicher Er-
krankungen,
Doch bei näherer Untersuchung wird
man feststellen, dass sie unkonzen-
triert oder uninteressiert für ihre Um-
gebung sind und daher neue Infor-
mationen nicht mehr aufnehmen
und behalten können. Sie können in
aller Regel den Beginn der Gedächt-
nisprobleme genau angeben und
merken auch selbst, dass ihr Ge-
dächtnis nachlässt. Sie leiden sehr
darunter und beschäftigen sich aus-
geprägt mit diesen Einschränkungen.
Im Unterschied zur Demenz bleiben
diese Veränderungen allerdings nur
auf die depressive Phase beschränkt
– also
nach erfolgreicher Therapie
sind sie nicht mehr nachweisbar.

Antriebsverlust.

Tests grenzen Depression und
Demenz voneinander ab
erhöhen das Sterblichkeitsrisiko
und sind nicht selten auch

das Zünglein
an der Waage,
wenn es um den Verlust der
Selbstständigkeit geht.

Depression und beginnende Demenz
sind oft schwer zu unterscheiden,
beide Störungen können gemeinsam
vorliegen, im Zweifel muss ein Be-
handlungsversuch bezüglich der De-
pression unternommen werden.
Außerdem kann ein geschulter Arzt
anhand eines Screenings schnell fest-
stellen, ob eine Demenz oder eine
Depression vorliegt. Der „Test zur
Früherkennung von Demenzen
mit
Depressionsabgrenzung“ (TFDD) wird
am häufigsten zur Früherkennung
von Demenzen und zur
Abgrenzung
der Demenzen
von Depressionen
verwendet.
Umgekehrt erhöhen körperliche Er-
krankungen das Risiko einer Depres-
sion. Aber auch Einschränkungen der
geistigen Leistungsfähigkeit und der
Verlust von Teilen der sozialen Unter-
stützung erhöhen die Gefahr einer
Depression zunehmend.
Verwechslungsgefahr mit leichter
Demenz: Die Pseudodemenz
Bei dementiellen Erkrankungen (z. B.
Alzheimer-Erkrankung) ist der Abbau
der Hirnleistungen dagegen dauer-
haft.
Das ganz besonders Tückische an
Depressionen im Alter ist, dass der
Übersicht: Typische Beeinträchtigungen
Diagnose
Aufmerksamkeit
Gedächtnis
Sprache
Visuokonstruktion*
M. Alzheimer
stark
beeinträchtigt
stark
beeinträchtigt
deutlich
beeinträchtigt
deutlich
beeinträchtigt
Lewy-Body-
Demenz
deutlich
beeinträchtigt
beeinträchtigt
beeinträchtigt
stark
beeinträchtigt
Fronto-temporale
Demenz
stark
beeinträchtigt
beeinträchtigt
deutlich
beeinträchtigt
beeinträchtigt
Vaskuläre
Demenz
deutlich
beeinträchtigt
deutlich
beeinträchtigt
beeinträchtigt
deutlich
beeinträchtigt
Depression
beeinträchtigt
beeinträchtigt
nicht
beeinträchtigt
nicht
beeinträchtigt
*
Visuokonstruktion (lat. visus = Sehen, Gesichtssinn) beschreibt die Fähigkeit, komplexe Formen oder Muster zu
erkennen und zu reproduzieren (neben Buchstaben, Zahlen und Wörtern auch Symbole usw.). Störungen der
Visuokonstruktion treten neben anderen kognitiven Einschränkungen z. B. im Verlauf der Alzheimer-Demenz
auf (mittlere Phase). Quelle: Wikipedia.
www.pflege-management.de
Januar 2009
Seite 2
  Pflege & Medizin
Übersicht: Diese Unterschiede sollten Sie kennen
Hinweise auf Depression
Hinweise auf Demenz
Beginn / Dauer
Schneller Beginn
Schleichender Beginn


Dauert weniger als 6 Monate
Erste Anzeichen liegen länger als ein Jahr
zurück


Leistungsverhalten
Auffällige Leistungsschwankungen bei
Aufgaben gleichen Schweregrades
Meist gleichmäßige Leistungsminderung
bei Aufgaben gleichen Schweregrades


Allgemeinbefinden
Klagsamkeit, „Ich weiß nicht“-Antworten
Herunterspielen der Erkrankung


Schlafstörung
gute Leistungs- und Testmotivation


Gewichtsverlust
Defizite des Kurzzeitgedächtnisses


Grübelzwang

Suizidgedanken, Antriebsmangel

Subjektives Versagen

Psychomotorische Verlangsamung

Orientierung
Orientiert
Desorientiert


Leistungen
allgemeine Leistungsschwäche, über die ge-
klagt wird, oft detaillierte Schilderung der
kognitiven Defizite
umschriebene Fehlleistungen (Verlaufen,
Desorientiertheit, Fehlbedienung von Gerä-
ten); kognitive Werkzeugstörungen (Dys-
praxie, visuell-räumliche Störung, Dysphasie,
Dyskalkulie, Störung des abstrakten Den-
kens)
Alltagskompetenzen
Gute Alltagskompetenz
Schlechtes Abschneiden in Tests
Schlechte Alltagskompetenz
Schlechtes Abschneiden in Tests
Ansprechen auf
Therapie
Kognitive Symptome verschwinden häufig
nach Antidepressiva- oder / und Psycho-
therapie
Kognitive Symptome bleiben nach Antide-
pressiva- und Psychotherapie erhalten, aller-
dings kann es zu einer Besserung der Stim-
mung kommen, wenn neben der Demenz
auch eine Depression vorlag.
Das können Sie tun, wenn Sie
eine Depression vermuten
Dieser Test besteht aus 2 Teilen und
beinhaltet 9 Fragen zur Früherken-
nung von Demenzerkrankungen. Al-
lerdings hat das Testergebnis den Stel-
lenwert einer Vorsorgeuntersuchung
und ersetzt die genaue ärztliche De-
menzabklärung nicht.
Um sekundäre Demenzen und ande-
re neurologische Erkrankungen aus-
zuschließen, sind
weitere Untersu-
chungen
nötig, die weit über den
Rahmen eines Screening-Verfahrens
(z. B. TFDD-Test) hinausgehen. Sie
liefern eine
differenzierte Beschreibung der
kognitiven Beeinträchtigungen,

ermöglichen eine Einschätzung
des Schweregrades der Erkran-
kung und

Halten Sie unbedingt Rücksprache
mit einem Neurologen oder Psy-
chiater, denn Depressionen müs-
sen dringend behandelt werden.

liefern einen Ansatz für psychoso-
ziale Therapiemaßnahmen sowie
die Beratung der interessierten
Angehörigen.

Lassen Sie es nicht zu, dass die bei
Patienten mit Depressionen mal
vorhandenen Ressourcen verlo-
ren gehen. Übernehmen Sie z. B.
nicht einfach die Pflege, sondern
motivieren, animieren und leiten
Sie den Depressiven an.

Hinweis:
Eine Liste mit weiteren
Tests finden Sie in der Ausgabe Au-
gust 2008 von „Demenz: Pflege und
Betreuung kompakt“.

Impressum:
Demenz: Pflege und Betreuung kompakt
Ihre kompetente Unterstützung für den richtigen
Umgang mit Demenzkranken
Erscheint monatlich im Verlag
PRO PflegeManagement
Einfach – Qualität – sichern
Theodor-Heuss-Str. 2–4, 53177 Bonn
Tel.: 02 28 / 95 50 13 0, Fax: 02 28 / 35 97 10
E-Mail: info@vnr.de, www.pflege-management.de
ISSN:1863–6128
Postvertriebskennzeichen: G73063
Herausgeberin: Dipl.-Päd. Britta Becker, Bonn
Chefredaktion: Annett Urban, Henstedt-Ulzburg,
Swen Staack, Norderstedt
Produktmanagement: Antje Hahn
Beratende Fachkräfte: RA Christian Schuler, RWWD
Hamburg; Justina Mendei; Thomas Schnieders
Herstellung: Sebastian Gerber, Bonn
Herstellungsleitung: Monika Graf, Bonn
Satz: Hold Bürokommunikation, Weilerswist
Druck: Weinmann Druck GmbH, Hockenheim-Talhaus
© 2009 by Verlag PRO PflegeManagement, ein
Unternehmensbereich der VNR Verlag für die Deut-
sche Wirtschaft AG, Bonn, HRB 8165,
Vorstand: Helmut Graf
Bonn, Berlin, Salzburg, Zürich, Warschau, Bukarest,
Moskau, London, Manchester, Madrid, Johannesburg
„Demenz: Pflege und Betreuung kompakt“ ist unab-
hängig. Alle Informationen wurden mit Sorgfalt er-
mittelt und überprüft. Es kann jedoch keine Gewähr
übernommen werden, eine Haftung ist ausgeschlos-
sen. Vervielfältigungen jeder Art sind nur mit aus-
drücklicher Genehmigung des Verlages gestattet.
Alle Rechte vorbehalten.
Umwelthinweis: Das Papier dieser Ausgabe ist 100 %
chlorfrei gebleicht.
www.pflege-management.de
Januar 2009
Seite 3
  Betreuung & Aktivierung bei verändertem Verhalten
Realitätsorientierungstraining – Rettung
aus der Orientierungslosigkeit?
Das Krankheitsbild der Demenz ist in
seinen Formen, seiner Ausprägung
und seinen Stadien
vielfältig.
Dies
erleben Sie in Ihrem Pflegealltag im-
mer wieder. Betroffene
verhalten sich
trotz ähnlicher Diagnosen unter-
schiedlich, Tagesform und Stimmun-
gen spielen eine wichtige Rolle.
Besonders tiefgreifend sind die Stö-
rungen der Orientierung, da der Be-
troffene den
Bezug zur Realität ver-
liert
und in zunehmend stärkerem
Maße auf Hilfe und Beaufsichtigung
angewiesen ist, um sich selbst und
anderen keinen Schaden zuzufügen.
ein verhaltenstherapeutischer Ansatz,
der in den 50-er Jahren zur Rehabili-
tation von Kriegsopfern gedacht war
und später auch in die Arbeit mit ver-
wirrten Menschen in Pflegeheimen
eingeführt wurde. ROT wurde in Form
eines Trainings in der Betreuung De-
menzkranker präventiv, begleitend
und rehabilitativ zur
Verbesserung
der Orientierung
angewandt.
Einsetzbar ist das ROT im Anfangs-
stadium der Erkrankung, da Fähig-
keiten wie Lesen, Verstehen, Erin-
nern und Konzentrieren in Ansätzen
noch vorhanden sein müssen, um
von den Hilfsmitteln profitieren zu
können.
ROT im Pflegealltag
ROT ist ein 24-Stunden-Konzept,
das die Umgebung und das Wohn-
umfeld einschließt und bei jedem
Kontakt eine Verbindung zur Realität
herstellt. In Pflegeheimen und auch
in der privaten Wohnung ist es mög-
lich, den Wohnbereich und das Zim-
mer so zu gestalten, dass die Umge-
bung eine Orientierung erleichtert.
In seiner
ursprünglichen Form wird
es heute nicht mehr angewendet.
Der stark korrigierende Ansatz hat
sich als nicht förderlich erwiesen, da
er die Bedürfnisse der Betroffenen
nicht wahrnimmt und ausschließlich
die Realität der Gesunden zum Maß-
stab nimmt.
Der Schwerpunkt in der
Arbeit mit dementen Menschen liegt
heute in der Gestaltung des Wohn-
umfeldes mit Orientierungshilfen und
der Tagesstrukturierung, die auch
Gruppenaktivitäten einbezieht. Neue-
re Konzepte wie z. B. die Validation
sind bei fortgeschrittener Erkrankung
besser geeignet, um die Gefühlswelt
Ihres Patienten zu verstehen.
Diese Orientierungsstörungen
treten bei Demenzkranken auf
Zeitliche Orientierung:
Bei Stö-
rungen der zeitlichen Orientierung
weiß der Betroffene nicht, in wel-
chem
Jahr / Monat
er sich befin-
det und welche Uhrzeit es ist.

Beispiele:

Große Uhren und Kalender
Jahreszeitliche Dekoration

Jahreszeitliche oder Persönliche
Feste, z. B. Geburtstage

Örtliche Orientierung:
Bei Stö-
rungen der örtlichen Orientierung
geht die Orientierung im Stadtteil
verloren, bei der räumlichen Orien-
tierungsstörung werden auch die
Zimmer der Wohnung oder die
Wege auf dem Wohnbereich
nicht mehr erkannt.

Merkzettel an Gegenständen

Stundenplan zur Erinnerung an
die geplante Tagesstruktur

Ausreichende Beleuchtung

Diese 7 Zielsetzungen verfolgt das
Realitätsorientierungstraining
1.
Erhaltung und Förderung der geis-
tigen Leistungsfähigkeit
2.
Erhaltung und Förderung des Er-
innerungsvermögens und der
Merkfähigkeit
3.
Erhaltung der noch vorhandenen
Alltagskompetenz
4.
Erhaltung und Förderung des so-
zialen und gesundheitlichen Status
5.
Erhaltung und Förderung von
Konzentration und Orientierung
6.
Reduktion von Angst und dem
Gefühl des Verlassenseins
7.
Vermeidung von Stürzen und Ge-
fahren des täglichen Lebens
Spiegel zur Wahrnehmung des
äußeren Erscheinungsbildes

Namensschilder an den Zimmer-
türen, evtl. mit Bildern des Be-
wohners aus früheren Zeiten

Situative Orientierungsstörung:
Bei situativen Orientierungsstö-
rungen ist der Betroffene nicht
mehr in der Lage, sich in einer Si-
tuation
angemessen zu verhal-
ten.
Dies führt zu erheblichen
Problemen im Zusammenleben
mit anderen Menschen, da das
unangemessene Verhalten

Farbliche und schriftliche Kenn-
zeichnungen der Wege

Türen mit eindeutigen Pikto-
grammen, z. B. für Küche, Bade-
zimmer oder WC

Hinweis:
Die orientierungsförderli-
che Umgebung ist in stationären Ein-
richtungen sogar ein wichtiger Quali-
tätsaspekt bei einer Prüfung durch
den MDK.
zu
Unverständnis führen kann.
Orientierungsstörungen zur Per-
son:
Bei den Orientierungsstö-
rungen zur Person ist der Mensch
seiner Identität beraubt, er weiß
nicht mehr, wer er ist und wer er
war, und kennt seine
Lebensge-
schichte
nicht mehr.

ROT durch Mitarbeiter
Geeignet ist ROT für Menschen mit

Eingeschränkter Gedächtnisfähig-
keit,
Zusätzlich zur Gestaltung der Umge-
bung ist es notwendig, dass alle Mit-
arbeiter im Pflegeheim und im
Pflegedienst den Betroffenen im
täg-
lichen Geschehen
an die Realität er-
innern, ohne ihn durch ein ständig
korrigierendes Verhalten auf seine
Wie kann das Realitätsorien-
tierungstraining helfen?
Orientierungsschwierigkeiten,

Ängsten und Unsicherheiten in-
folge von Desorientierung,

Das
Realitätsorientierungstraining,
abgekürzt „ROT“, war ursprünglich
Einschränkung der Alltagskompe-
tenz mit einem Selbstpflegedefizit.

www.pflege-management.de
Januar 2009
Seite 4
 Betreuung & Aktivierung bei verändertem Verhalten
Defizite aufmerksam zu machen. Die
Erinnerung an die Realität muss wie
absichtslos aus dem normalen Ge-
spräch erwachsen und darf keines-
falls aufgesetzt oder schulmeisterlich
erscheinen. Dies ist möglich, wenn
der Mitarbeiter während der Pflege
den Betroffenen mit seinem vollen
Na-men anspricht, sich selbst vor-
stellt und ein Namensschild mit
Funktion trägt, locker plaudert und
dabei z. B. die Jahreszeit, das Wetter,
die Angehörigen erwähnt.
Orientierung zum Inhalt hat. Bei der
Gruppenbildung ist auf eine
ange-
nehme Atmosphäre
zu achten, in der
sich die Gruppenteilnehmer aufge-
hoben fühlen. Es muss vermieden
werden, durch Fragestellungen und
Aktivitäten auf Defizite aufmerksam
zu machen und die Teilnehmer zu
unterfordern – oder zu überfordern.
Im häuslichen Umfeld sind Aktivitä-
ten, z. B. mit dem Ehepartner, leicht in
die Gestaltung des Alltags einzubin-
den. Diese
Angebote sollen anregen,
Tätigkeiten auszuüben, die dem Be-
troffenen aus der eigenen Lebensge-
schichte vertraut sind.
Sie sollten Teil
der alltäglichen Selbstversorgung sein.
ven Gemeinschaftserlebnisse bleibt
lange erhalten, auch wenn der Be-
troffene dies nicht mehr verbal aus-
drücken kann. Je mehr Freude der
Betreuer oder Pflegende bei den Ak-
tivitäten empfindet, desto besser
kann er die Betroffenen einbeziehen.
Hinweis:
Die Teilnehmer müssen ein
positives Erlebnis zu zweit oder in der
Gruppe erfahren, die Struktur des
Angebotes darf nicht starr an dem
Versuch der Realitätsorientierung
ausgerichtet sein. Die
individuellen
Bedürfnisse und Möglichkeiten
der
Teilnehmer stehen immer im Mittel-
punkt des Geschehens. Eine Verbesse-
rung der geistigen Leistungsfähigkeit
kann nur dann erreicht und aufrecht-
erhalten werden, wenn die Angebote
regelmäßig stattfinden.
Hinweis:
Es ist niemals sinnvoll, den
Betroffenen aus seiner eigenen Rea-
lität zu zerren, da dies für den Kran-
ken nicht nachvollziehbar ist und die
Gefühle des Betroffenen in keiner
Weise respektiert. Ständiges Korri-
gieren kann zu Versagensgefühlen,
Ängsten und Rückzug führen.
Das können Inhalte sein:

Gemeinsames Lesen und Disku-
tieren der Tageszeitung
Gespräche über aktuelle kulturel-
le Ereignisse in Verbindung mit
Erinnerungsarbeit

ROT durch Aktivität
an der frischen Luft
ROT durch Gruppenarbeit
Verbindung mit Hilfe der Musik
zu musikalischen Erfahrungen der
Teilnehmer von früher

Das so genannte „Classroom-ROT“
informiert die Betroffenen in Grup-
pensitzungen über ihre Umgebung
und versucht, die Orientierung durch
gemeinsame Aktivitäten zu fördern
und zu verbessern.
Solange die Mobilität erhalten ist,
gehen Sie mit den Betroffenen regel-
mäßig spazieren; dies ist die beste
Orientierung an der Realität. Erfah-
ren Sie die Jahreszeiten hautnah,
auch bei schlechtem Wetter, besu-
chen Sie bekannte Ecken des Stadt-
teils, gehen Sie zum Markt und ins
Café: Dies alles weckt die Erinnerung
an das frühere Leben und ergänzt
das Konzept des ROT um den Aspekt
der Sinnesanregung.
Essensvorbereitung, Kochen, Ab-
waschen

Handarbeiten, Gartenarbeiten,
handwerkliche Arbeiten

Dieses Verfahren kann in modifizier-
ter Form in Pflegeheimen und Tages-
pflegen durchgeführt werden, da
dort in der Regel Gruppenarbeit statt-
findet, die auch die Förderung der
Beim Aktivieren ist es wichtig,
Fremd-
antrieb in Eigenantrieb umzuwan-
deln
und durch positive Erfahrungen
Motivation zu erzeugen und zu er-
halten. Die Erinnerung an die positi-

Checkliste: So gehen Sie vor, wenn Sie ROT im Pflegealltag anwenden möchten

Prüfen Sie das Umfeld auf orientierungsfördernde Elemente.

Schreiben Sie auf, welche Elemente fehlen (z. B. Uhren, Kalender, Zeitungen).

Sprechen Sie Angehörige an, bei der Gestaltung des Umfeldes mitzuwirken.

Achten Sie auf jahreszeitlich angepasste Dekoration.

Planen Sie die Tagesstruktur unter Berücksichtigung förderlicher Aktivitäten.

Schaffen Sie ein anregendes Umfeld, das Sicherheit und Zuwendung vermittelt.

Gehen Sie behutsam vor, sorgen Sie für positive Erlebnisse.

Akzeptieren Sie die Welt des Betroffenen als seine eigene Realität.

Vermeiden Sie schmerzliche Hinweise auf Defizite des Betroffenen.

Prüfen Sie stets, welchen Wert und welche Bedeutung das Wissen um die Realität für den Betroffenen hat.

Erkennen Sie, wann die Orientierung nicht mehr hergestellt werden kann und welche anderen Konzepte,
wie Validation oder Basale Stimulation, dann wirksam werden können.

Hinweis:
Es ist unerheblich, ob der
Betroffene in einem Pflegeheim lebt
oder von Angehörigen und einem
ambulanten Pflegedienst betreut
wird, da ein anregendes Umfeld mit
motivierenden Aktivitäten unabhän-
gig von der Wohnform und Betreu-
ung hergestellt werden kann.
Die Autorin:
Petra Kraft ist Diplom-
gerontologin / Diplompädagogin und
als Qualitätsmanagerin in Hamburg
tätig. Neben dieser Tätigkeit ist sie für
ambulante Dienste und Tagespflegen
als externe Qualitätsmanagerin tätig.
Kontakt: petra.kraft@freenet.de

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Januar 2009
Seite 5
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